Marokko: In Tan-Tan den südlichsten Punkt erreicht
Wir sind im Dunkeln mitten auf der Piste in Richtung Süden. Die auf der Karte eingezeichnete Piste wurde von einem früheren Unwetter weggeschwemmt. Eine Alternative ist nicht ersichtlich. Rechts geht ein Weg zu einer Hütte und an der Kreuzung weiter vorne geht eine andere Piste gemäss Karte in die komplett falsche Richtung. Im Scheinwerferlicht ist es schwierig, weitere Alternativen zu prüfen. Da weiter vorne hat es noch Fahrspuren anderer Fahrzeuge. im Schritttempo fahren wir diesen Spuren nach und rumpeln in das ausgewaschene Flussbett (Draa). Wir “fahren” im Flussbett einige Minuten weiter und plötzlich geht rechts wieder eine Spur aus dem Flussbett hinaus auf eine neue Piste. Hurra, es geht weiter. Bei Tageslicht wäre die Aktion wohl abenteuerlich und schön, jetzt Nachts ist es irgendwie Stress pur. Hier halten und übernachten geht nicht, also weiter…. Nach einer weiteren halben Stunde wird die Piste breiter, die Hütten werden mehr und grösser. Die Zivilisation kommt wieder. Gemäss Karte befinden wir uns wieder auf einer offiziellen Piste und kurze Zeit später gelangen wir tatsächlich wieder zurück auf die Asphaltstrasse. Es ist kurz vor 2100 Uhr und wir besprechen, wie es weiter geht. Im Dunkeln einen Stellplatz suchen ist schwierig, also nehmen wir den Campingführer. Ob da noch etwas offen ist?
10 Kilometer weiter im Süden ist Ksar Tifnidilt, eine Auberge von Franzosen, allerdings nochmals 6km auf Piste dorthin. OK, wir beissen in den sauren Apfel, biegen in die Piste ein. Diese hat es in sich… An das Holpern haben wir uns ja fast schon gewöhnt. Aber da kommen noch Stufen, Weichsand-Passagen und das alles im Dunkeln. Jeden Kilometer hat es jedoch ein Hinweisschild, welches uns zeigt dass wir richtig unterwegs sind. Nach 10 Minuten sehen wir eine grosse Ruine vor uns. Ist das Ksar nicht mehr bewohnt? Da, ein Wegweiser, nochmals eine Kurve und wir sehen ein prächtiges Schloss in schöner Beleuchtung vor uns. Wir sind richtig, fahren auf den Hof. Nach einer kurzen Vorstellung dürfen wir auf den Platz hinter dem Haus, um zu übernachten. Noch kurz was Essen und dann in die Heia…
Am nächsten Morgen wachen wir auf und gehen auf Erkundungstour. Das Ksar ist wunderschön. Ein richtiges Juwel haben wir gestern Nacht gefunden. Wir genehmigen uns ein Petit Dejeuner und dürfen uns einmal mehr die Bäuche voll schlagen. Die Gastgeber sind supernett. Und trotzdem müssen wir weiter.
Wir verlassen das Ksar, fahren auf der Piste die 6km zurück zur Asphaltstrasse und dann nach Tan-Tan. Die gestrige Rüttelpiste hat den Dieselverbrauch in die Höhe schnellen lassen. Wir müssen tanken. Und so fahren wir nach Tan-Tan, besichtigen nach der Polizeikontrolle in der Ortseinfahrt schnell die Stadt und tanken unseren Sprinter wieder auf. Das tut in Marokko übrigens nicht ganz so weh… Der Liter Diesel kostet 0.96 CHF. Eine Tankfüllung also unter CHF 100. Das ist schön…
In Tan-Tan haben wir den südlichsten Punkt erreicht. In die Westsahara (die südlichsten, annektierten Provinzen von Marokko) wären es noch knapp 120km. Aber erstens müssten wir noch etwas weiter in den Süden fahren und zweitens ruft ja bereits schon das Ende der Ferien. Wir beschliessen uns also in Richtung Norden abzudrehen und gemäss der Pistenkuh eine Strecke entlang des Atlantik zu fahren. Das war nicht unsere beste Idee…
Wir fahren also nochmals zurück zum Ksar, die Piste geht daran vorbei. Vor uns liegt ein Peugeot-Camper auf der Strecke zum Ksar im Weichsandfeld. Wir hatten gestern bei der Hinfahrt noch gesagt: Ohne Allrad kommt da überhaupt niemand zum Ksar. Und so stecken die beiden Deutschen 15 Meter im Sand und haben mit Steinen, Holz und einem kleinen Klappspaten versucht, ihr Auto wieder aus dem Sand heraus zu bekommen. Wir packen Sandbleche, Schaufeln und Gurte aus, graben den Camper frei, legen die Vorderachse auf die Sandbleche und befestigen den Bergegurt am Heck. Im zweiten Versuch ist der Camper wieder auf festem Boden. Die beiden Deutschen sind erleichtert. Wir verabschieden uns und fahren kurze Zeit später am Ksar vorbei auf der Piste in Richtung Atlantik. Für die 30 Kilometer benötigen wir 2 Stunden. Die Strecke ist mehr als anspruchsvoll und weder Sprinter noch Mannschaft werden geschont. Innerlich fluche ich… eigentlich wollten wir an den Plage Blanche (weisser Strand) und nun hottern wir Stunden um Stunden auf der Piste. Wir kommen zu einem Militärposten und endlich sehen wir den Sandstrand und den Atlantik vor uns. Der Ausblick ist wunderschön, allerdings stehen wir auf einer Klippe hoch über dem Meer. Wir müssen weiter entlang der Klippe nach Norden hoppeln… Also los.
Wir fahren an Fischerhütten vorbei und erhalten einen Einblick in deren Leben. Die Hütten bestehen aus Hölzern, welche wir Plastik und Blachen abgedeckt sind. Einfachste und primitive Hütten und ein Leben mitten im Nirgendwo. Wir wünschen den Fischern, dass diese Bleibe temporär jeweils für einige Tage ist, aber es ist offensichtlich, dass einige sich hier für immer so eingerichtet haben. Wir hoppeln stundenlang auf der Piste entlang der Klippe. Die Aussicht auf den Atlantik entschädigt. Am späten Nachmittag kommen wir dann endlich zum eigentlich geplanten Ort, der Zufahrt zum Plage Blanche. Allerdings geht die Piste vorher über ein Dünenfeld, welches es ganz schön in sich hat. Wir fahren in die Dünen und müssen zigmal umkehren, weil diese immer mehr in Richtung Klippen-Abgrund führen und eine Weiterfahrt nicht möglich ist. Mit letzter Kraft kommen wir aus dem Feld raus wieder auf die Fortsetzung der Piste, welche uns direkt zum Plage Blanche führen soll.
Wir biegen in die einfahrt von der Klippe runter an den Strand, fahren die ersten beiden Kurven und Christian kommt in Panik. Wir fahren auf weichem Sand. Runter ist kein Problem, der Sprinter ist schwer. Wir sehen aber nun, dass wir durch riesige Dünen fahren werden. Kilometerweise durch den Sand runter bis an den Strand. Und vor allem: Wenn wir nicht dem Strand entlang fahren möchten (Reiseführer und die Leute am Ksar haben von einer Alleinreise entlang des Strandes abgeraten), dann müssten wir hier wieder hoch kommen. Mit dem schweren Sprinter durch den Sand abwärts ist das eine, dann aber wieder hoch? Also zurück und da wieder raus. Rückwärtsgang einlegen und eingegraben. Sandbleche und Schaufeln raus. Sofort kommt ein Fischer angerannt. Wir sollen doch runterfahren, es habe viele Leute unten. Auf die Frage, ob wir dann auch wieder raufkommen, erhalte ich keine Antwort. Er hilft uns aber beim Schaufeln. Unter Einsatz von vier Büschen (als Traktionshilfe zwischen den Sandblechen und den Rädern können wir den Sprinter wieder drehen und fahren nach kurzer Zeit wieder oben auf der Klippe. Die Nerven liegen blank. Pistenfahren ist ab sofort tabu! Also raus auf die nächste Strasse: 15 Kilometer Piste liegen vor uns….
Wir schaffen es – einmal mehr im Dunkeln – nach Guelmin, einer Grossstadt unweit von Tan-Tan. Dieser Tag brachte uns nicht so viel: Das Ziel “Plage Blanche” haben wir abgebrochen und sind stattdessen stundenlang auf Piste herumgeholpert… um dann insgesamt 100km nach Norden zu kommen und dort dann ebenfalls keinen Campingplatz zu finden. Egal: Wir parken das Auto auf einem Parkplatz und gehen erstmals in die Stadt. Abends leben die Marokkanischen Städte auf und auch Guelmin hat einen ganz hübschen Souk. Ueberhaupt nicht für Touristen, sondern als Markt für die Einheimischen. In den Läden gibt es unglaublich viele Kleider (z.B. die bei den Kids beliebten Fussball-Trikots aller grossen Fussball-Vereine als Fälschung für wenig Geld) Gewürze, Früchte, Gemüse. Es ist ein kleines Paradies. Wir haben aber Hunger und suchen ein Restaurant, wo wir mit den Hunden draussen essen können. Irgendwie gar nicht so einfach hier… An der grossen Kreuzung hat es einige Restaurants. Lokale Küche finden wir hier nicht, sondern Imbisse, die meisten mit frischen Poulets oder Kebab. Und da noch ein ganz nett aussehendes Taco-Restaurant. Wir besuchen den Ort, bestellen Tacos und werden nicht enttäuscht. Superfein, mit einer marokkanischen Gewürznote. Wir sind zufrieden und gehen zurück zum Auto. Wir entscheiden uns direkt auf dem Parkplatz zu übernachten. Es ist laut, dreckig und hell – aber wir können hier schlafen, wir sind müde…
Und morgen geht es weiter. In dieser Nacht erhalten wir die Information, dass Ernst wieder in Spital eingeliefert wurde. Wir beschliessen noch in dieser Nacht möglichst rasch nach Norden zu fahren.